inform blog

WARUM SIE KEINEN DATA SCIENTIST EINSTELLEN SOLLTEN (UND WANN ES SICH VIELLEICHT DOCH LOHNT)

03.08.2020 // Björn Heinen

Mal ganz konkret: Wie fängt ein normales Unternehmen mit KI an? Eine der Fragen, die wir als Data Science Consultants am Häufigsten hören, und die gleichzeitig nur schwierig pauschal beantwortet werden kann. Jedes Unternehmen hat in der Zwischenzeit von Künstlicher Intelligenz und seinen Geschwistern Machine Learning und Data Science gehört. Oft berichten uns Unternehmen, dass die strategische Entscheidung getroffen wurde, „jetzt auch etwas mit KI zu machen“. Aber die Umsetzung dieser Entscheidung fällt nicht nur von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich aus, sie fällt vor allem unterschiedlich gut aus. In diesem Artikel werde ich darum auf die Maßnahme eingehen, die ich in meiner professionellen Laufbahn am häufigsten als Lösungsansatz von Unternehmen für den Einstieg in die Arbeit mit KI beobachtet habe und wie man ihre Nachteile am besten vermeidet:

Einen Data Scientist einstellen.

Meist fatal. So würde ich diesen Schritt beschreiben. Und dennoch ist es der, den die meisten Unternehmen wählen. Einen einzelnen Data Scientist für die Einführung von KI einzustellen scheint naheliegend und doch gehen damit eine ganze Reihe von Risiken und Problemen einher.

„Einfach mal“ Data Science führt in eine Sackgasse

Das erste Problem ist bereits die Frage, wie sich sicherstellen lässt, dass der Bewerber fachlich gut ist und den richtigen inhaltlichen Schwerpunkt mitbringt, ohne dass im Unternehmen selbst bereits Expertise auf diesem Gebiet vorhanden ist. Durch den attraktiven Arbeitsmarkt gibt es immer mehr Quereinsteiger, die sich Data Scientist nennen, ohne dafür eine qualifizierende Ausbildung genossen zu haben. Darüber hinaus gibt es auch bei den vielen qualifizierten Kollegen unterschiedliche fachliche Schwerpunkte. Wissen Sie, ob jemand mit einem ausgewiesenen Fokus auf Neuronale Netze wirklich zu Ihrem Unternehmen passt oder Sie für Ihren Bedarf besser auf einen anderen Schwerpunkt setzen sollten? Falls Sie das intern nicht bestimmen können, lassen Sie sich beraten.

Das zweite, tiefgreifendere Problem zeigt sich aber erst später. Nehmen wir an, es wurde ein guter Data Scientist gefunden und er fängt an, im Unternehmen zu arbeiten. Was macht er dann konkret? Denken Sie gut über diese Frage nach, denn sie ist kritisch und alles andere als trivial. „Einfach mal“ an den vorhandenen Daten arbeiten? Auch dieser Schritt ist populär und meist zum Scheitern verurteilt. Denn ohne zu verstehen, wie die jeweiligen Abteilungen und Mitarbeiter mit den Daten arbeiten und welche Probleme sie in ihrer täglichen Arbeit haben, lässt sich keine Lösung entwickeln, die diese Probleme lindert oder einen unternehmerischen Mehrwert bietet. Dafür braucht es Integrationsarbeit, abteilungsübergreifende Kooperation und ein konkretes Ziel, wo es hin gehen soll.

Aller guten Dinge sind drei

Womit wir beim dritten und letzten Problem angekommen sind: die realistische Kapazität eines einzelnen Data Scientist. Im Kern ist es ihre Aufgabe, Prozesse und Mitarbeiter nicht nur zu verstehen, sondern darauf aufbauend angepasste Lösungen zu entwickeln, die eine KI umsetzen soll. Das kostet Zeit.

Hinzu kommen gegebenenfalls internes und externes Marketing, Abstimmungsmeetings mit anderen Entwicklern, der IT, dem Management und schon ist der Data Scientist problemlos 50 Prozent seiner Zeit beschäftigt, ohne eine einzige Zeile Machine-Learning-Code geschrieben zu haben. Dass man mit der verbleibenden Kapazität eines halben Entwicklers keine modernen Lösungen (Marketing-Sprech: Disruptiv) auf die Beine stellen kann, sollte sich von selbst verstehen. Daher gilt als Faustregel, dass Unternehmen niemals mit weniger als drei Data Scientists starten sollten. Hat man nur zwei Data Scientists, wird es mit Themen wie Qualitätssicherung, Urlaubsvertretung, Bus-Faktor, Vier-Augen-Prinzip und nicht zuletzt der gegenseitigen Inspiration schnell eng.

Ist der Management Support hierfür übrigens nicht gegeben, fehlt Support erfahrungsgemäß meistens auch dann, wenn es darauf ankommt, die betroffenen Prozesse tatsächlich mithilfe der entwickelten, datengetriebenen Lösung anzupassen oder zu erweitern. Dieser Offenheit und dem Rückhalt sollten sich Unternehmen aber sicher sein, damit sich die Einstellung von Data Scientists wirklich lohnt.

Neues Personal oder externe Beratung?

An dieser Stelle schließt sich der Kreis und wir kommen wieder zum ersten Punkt zurück: Wenn es schon schwierig ist, einen kompetenten und gut passenden Data Scientist zu finden, wie schwierig wird es erst, drei einzustellen? Damit sich dieser Aufwand rentiert, ist es daher von großer Bedeutung, vorab dafür Sorge zu tragen, dass sich alle oben genannten typischen Schwierigkeiten vermeiden lassen. Außerdem sollten Sie sich die Frage stellen, ob hinreichend viele realistische Anwendungsfälle mit entsprechendem Mehrwert vorhanden sind, um die Einstellungen als langfristige Investition zu rechtfertigen.

Ist all das noch nicht möglich oder dauert die Einstellung von geeigneten Fachkräften zu lange, muss das KI-Projekt aber nicht zwangsläufig liegen bleiben. Meine persönliche Empfehlung lautet in dem Fall: Holen Sie sich Hilfe von einer vertrauenswürdigen Beratung. Natürlich müssen Sie nicht sämtliche Aufgaben von externen Experten erledigen lassen, sondern können sich gezielt dort Unterstützung holen, wo es intern an Know-How mangelt. Wo der Faktor Geschwindigkeit (Time-to-Value) eine besonders große Rolle spielt oder Einstellungen auf Dauer nicht in Frage kommen, können aber auch Konstellationen Sinn machen, in denen ausgewählte Projekte ganzheitlich von einer externen Beratung betreut werden.

Wenn ein Unternehmen zu dem Schluss kommt, dass Einstellungen von Data Scientists zur Unternehmens- oder Abteilungsstrategie passen, dann wird ein guter Berater dabei helfen, eine solche Abteilung aufzubauen. Welche Infrastruktur wird benötigt? Welche Qualifikationen und Themenschwerpunkte sind sinnvoll? Mit welchen Daten und Anwendungsfällen sollte begonnen werden?

Fazit

Wer KI-Projekte im eigenen Unternehmen starten möchte, braucht Data Scientists, intern oder extern. Mit der Ausschreibung einer neuen Stelle ist es aber noch lange nicht getan, um einem Projekt zum Erfolg zu verhelfen. Es gibt eine Reihe struktureller Stellhebel, mit denen sich neue Einstellungen lohnen: hinsichtlich internen Know-Hows, Zielen, Prozessen, Kapazitäten, abteilungsübergreifender Kooperation und der Unterstützung durch das Management. Werden diese nicht beachtet, bleibt die Rekrutierung eines Data Scientists nicht mehr als halbherziger Versuch, auf einen Hype aufzuspringen, der keinen echten Mehrwert bringt. In dem Fall, oder für ausgewählte Projekte, eignet sich externe Unterstützung.

ÜBER UNSERE EXPERT:INNEN

Björn Heinen

Lead Data Scientist

Björn Heinen arbeitet seit 2017 bei INFORM im Bereich Data Science. Als Lead Data Scientist beschäftigt er sich sowohl mit internen Projekten, bei denen bestehende INFORM-Produkte um Machine-Learning-Funktionalitäten erweitert werden, als auch mit externen Projekten, die er von der Ausarbeitung über die Implementierung bis zur Integration begleitet.